Österreich

Stellungnahme zum geplanten Wahlrechtsänderungsgesetz 2023

9 Jan , 2023  

Wien, 9. Januar 2023: Wahlbeobachtung.org begrüßt die Einbringung eines Initiativantrags der Regierungsparteien zur Reform des österreichischen Wahlrechts und Wahldurchführung. Der Wahlrechtsänderungsgesetzesvorschlag inkludiert einige geplante Maßnahmen, die unsere Arbeitsgemeinschaft bereits in ihrem Vorschlagskatalog zur Reform österreichischer Wahlprozesse (Januar 2017) vorgebracht hat und die durch das gemeinsam mit VieCER durchgeführte Forschungsprojekt Wahlbeisitz in Österreich (2021) unterstützt wurden.

Wahlbeobachtung.org erhielt im Gegensatz zum Wahlbeisitzstudie-Projektpartner VieCER und weiteren involvierten zivilgesellschaftlichen Organisationen (z.B. BIZEPS) keinen Antrag auf Einholung einer Stellungnahme (6.12.2022). Dies ist bedauerlich, da wahlbeobachtung.org im Journal für Rechtspolitik konkrete Wahlreformvorschläge publizierte (JRP, Jahrgang 26, Heft 1, 2018), mit der Parlamentsdirektion zwei Podiumsdiskussionen zum Thema Wahlrechtsreformen durchgeführt hat (2018 & 2022) sowie seit 2016 in den OSZE/ODIHR Wahlberichten zu Österreich referenziert wird.

Wahlbeobachtung.org verweist auch auf die insgesamt 44 Wahlreformempfehlungen der OSZE/ODIHR, von welchen bisher nur zwei umgesetzt und fünf teilweise umgesetzt wurden. Österreich als Gastgeberland der OSZE trifft hier eine besondere Verantwortung, OSZE-Beschlüsse umzusetzen und die Umsetzung von Wahlreformempfehlungen voranzutreiben.

Wahlbeobachtung.org hat sich zudem mit sieben anderen demokratiepolitisch engagierten zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammengeschlossen um den Demokratieindex Österreich zu erstellen, welcher auf alle Bereiche der notwendigen Stärkung und erkannten Defizite der österreichischen Demokratie hinweist. Der Demokratieindex, der im November 2022 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, schließt den Bereich Wahlen explizit mit ein und stellt Lücken in der Umsetzung von Empfehlungen und guter Praktiken dar.

Zu den im Initiativantrag vorgestellten Wahlreformvorschlägen hat wahlbeobachtung.org folgende Stellungnahme, die auf unseren veröffentlichten Empfehlungen und Forschungsergebnissen im betreffenden Bereich basiert:

1) Positive Aspekte des Initiativantrags:

  1. Angedachte „Pool-Lösung“ für Wahlbeisitzer:innen
  2. Aufwertung der Tätigkeit von Mitgliedern der Wahlbehörden (Regelung von Entlohnung, Arbeitszeit und Rechtsanspruch)
  3. erweiterte Nutzung des ZeWaeR
  4. Verpflichtender barrierefreier Zugang zu allen Wahllokalen
  5. Verbesserungen bei der Briefwahl (Abgabe, Auszählung, QR-Code) und online Veröffentlichung der Sprengelwahlergebnisse durch Gemeinden

2) Negative Aspekte des Initiativantrags:

  1. Begründung zur Ungültigkeit von Briefwahlstimmen (wenn das Wahlkuvert verklebt wird)
  2. Bedenken zu Wählen mit Briefwahlkarte im Wahllokal

3) Fehlende Aspekte des Initiativantrags:

  1. Einschränkung internationaler Wahlbeobachtung (nur OSZE) und fehlende Zulassung zivilgesellschaftlicher Wahlbeobachtung
  2. Elektronische Unterstützungserklärung für Kandidat:innen und Parteien
  3. Fehlende Lasche zur Verdeckung der Unterschrift und Details der Wähler:innen auf der Briefwahlkarte mit Datenschutzbedenken insbesondere für Auslandsösterreicher:innen
  4. Unabhängigkeit und Transparenz der Wahladministration
  5. Rechtssicherheit bei Beschwerden und Einsprüchen
  6. Verständlichkeit und Kohärenz des Wahlrechts

 4) Forderung nach partizipativen und inklusiven Wahlreformprozessen

Stellungnahme im Detail

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