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Jahresrückblick von wahlbeobachtung.org

10 Dez , 2020  

Wien, 10. Dezember 2020: Die globale Gesundheitskrise hat im Jahr 2020 nicht nur unsere Arbeitsweise geprägt, sondern auch Eingang in die Beobachtung und Analyse demokratischer Wahlprozesse gefunden. Darüber hinaus hat wahlbeobachtung.org die Bemühungen um Wahlreformen in Österreich durch praxisbezogene Forschung und Advocacy weitergeführt, in mehreren Bereichen vertieft, und über Österreich hinaus erweitert.

Die Tätigkeiten des Vereins 2020 können in fünf Bereichen dargestellt werden:

  1. Advocacy von Wahlreformen auf Europäischer Ebene
  2. Studien zu demokratischen Wahlen unter Bedingungen von Covid-19
  3. Wahlassessment der Wienwahl und Advocacy für Wahlreformen in Österreich
  4. Forschung und Beobachtung von Sozialen Medien in Wahlprozessen
  5. JungwählerInnenbildung und Advocacy von Wahlreformen in Albanien

1) Advocacy von Wahlreformen auf Europäischer Ebene

Bereits im Januar 2020 lud der Verfassungsausschuss des Europaparlaments (AFCO) wahlbeobachtung.org ein, die Erkenntnisse und Empfehlungen unserer Wahlbewertungsmission zur Europawahl 2019 den Mitgliedern des Europaparlaments vorzustellen. Der frühere Europaparlamentspräsident und jetzige Verfassungsausschussvorsitzende Antonio Tajani stellte Election-Watch.EU vor – unter diesem Titel  laufen die Aktivitäten von wahlbeobachtung.org auf Europäischer Ebene. Der Präsentation von Election-Watch.EU folgte eine lebhafte Debatte, die von starkem Interesse nach größerer Kohärenz und Harmonisierung der Europawahlprozesse geprägt war. Das Vorstellen des Wahlbewertungsberichts ist Teil der Überzeugungsarbeit für umfassende, partizipative Wahlreformen, die auf allen Ebenen erforderlich sind, um die europäischen Wahlprozesse und die demokratische Resilienz zu stärken.

Wahlbeobachtung.org hat über Election-Watch.EU weiters zu einem umfassenden Positionspapier zum Aktionsplan für europäische Demokratie (European Democracy Action Plan, EDAP) beigetragen, welches von der Europäischen Partnerschaft für Demokratie (EPD) koordiniert wurde. Darüber hinaus hat wahlbeobachtung.org (Election-Watch.EU) mit einer Koalition von 46 Organisationen, die sich für Demokratie, Menschenrechte, Medien und Rechtsstaatlichkeit in Europa einsetzen, eine gemeinsame Erklärung mit fünf Forderungen für den Aktionsplan für europäische Demokratie ausgearbeitet, welcher mittlerweile von der Kommission veröffentlicht wurde. Zudem nahm wahlbeobachtung.org (Election-Watch.EU) an einem Online-Diskussionsforum teil, das von Carnegie Europe, European Movement, European Partnership for Democracy und Democracy Reporting International organisiert wurde, um seine Erfahrungen bei der Beobachtung sozialer Medien auszutauschen und die Integrität von Online-Wahlen zu erörtern. Weiters wurde wahlbeobachtung.org im Rahmen einer Studie der Europäischen Kommission (DG JUST) zum „impact of new technologies on free and fair elections“ und durch die OSZE Representative of Freedom of the Media zu „Impact of Artificial Intelligence (AI) on Free Speech“ konsultiert.

Zudem wird wahlbeobachtung.org (Election-Watch.EU) Mitte Dezember 2020 die Erkenntnisse und Empfehlungen der Election-Watch.EU Wahlbewertungsmission zur Europawahl 2019 beim RECONNECT Virtual Workshop – The European Elections and Beyond vorstellen. RECONNECT ist ein vierjähriges akademisches multidisziplinäres Forschungsprojekt von 18 akademischen Partnerinstitutionen aus 14 Ländern, welches darauf abzielt, die jüngsten Herausforderungen der EU zu verstehen und Lösungen dafür zu finden. 

Ad2) Studien zu demokratischen Wahlen unter Bedingungen von Covid-19

Wahlbeobachtung.org hat im Rahmen des Europa-weiten Netzwerks Election-Watch.EU im Frühjahr 2020 unmittelbar auf den Ausbruch der Pandemie reagiert. Mit einer Kurzstudie zum Thema Covid-19 und Wahlen in Europa wurde eine Bestandsaufnahme der Auswirkungen der Krise auf Wahlprozesse in allen EU-Mitgliedstaaten, in Großbritannien sowie in den EU-Beitrittskandidaten Albanien und Nordmazedonien vorgelegt. Der Bericht zur Studie wurde samt Empfehlungen und einer Infographik noch im April publiziert und sowohl vom Österreichischen Parlament als auch der Europäischen Kommission rezipiert. An der Studie haben 55 Auskunftspersonen sowie sechs gleichgesinnte Organisationen mitgewirkt, darunter die Organisation ‚Democracy Essentials‘ (Brüssel/Belgien), welche die grafische Umsetzung der Ergebnisse unterstützt hat.

In der Folge wurde wahlbeobachtung.org eingeladen, die Kurzstudie und deren Empfehlungen in mehreren Foren vorzustellen: als Key Input einer Diskussionsreihe der European Platform for Democratic Elections (EPDE), im Rahmen eines Online-Trainings für Wahlbeobachter in Portugal (VoteDHr), bei einer Expertendiskussion zur Anpassung demokratischer Wahlen an die Bedingungen von Covid-19 in Rumänien sowie als Diskussionsbeitrag zum Europäischen Netzwerk für Zusammenarbeit bei Wahlen. Dies war bereits das dritte Mal, dass wahlbeobachtung.org (Election-Watch.EU) von der Europäischen Kommission eingeladen wurde, eigene Wahlforschung und Empfehlungen diesem Netzwerk zu präsentieren.

Ad3) Wahlassessment der Wienwahl und Advocacy von Wahlreformen in Österreich

Die Beschäftigung mit demokratischen Wahlen unter Bedingungen von Covid-19 wurde auch in Bezug auf österreichische Wahlprozesse vertieft. Wahlbeobachtung.org hat im Rahmen der Wiener Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen am 10 Oktober 2020 eine Erhebung zur Adaption der Wahldurchführung an die Bedingungen von Covid-19 durchgeführt und damit erstmalig zu Wahlen auf Landesebene in Österreich gearbeitet. Der Assessment Bericht wird Ende 2020 publiziert und enthält eine Reihe an Empfehlungen sowohl für spezifisch österreichische Wahlprozesse als auch grundsätzliche Empfehlungen zur Durchführung von Wahlen in Zeiten einer Pandemie. In der Wiener Zeitung fand sich ein Vorabdruck der ersten Einschätzungen nach der Wien-Wahl.

Über die Beschäftigung mit Wahlen unter Bedingungen von Covid-19 hinaus hat sich wahlbeobachtung.org weiterhin um Wahlreformen in Österreich bemüht. Anlässlich der vorgezogenen Nationalratswahl 2020 hat wahlbeobachtung.org gemeinsam mit dem Forschungszentrum ‘Vienna Center for Electoral Research (VieCER) des Instituts für Staatswissenschaften an der Universität Wien ein Forschungsprojekt zum Thema „Wahlbeisitz in Österreich durchgeführt. Die Auswertung der Befragung von rund 1.000 WahlbeisitzerInnen und die Erarbeitung von Reformempfehlungen in diesem Bereich wurden abgeschlossen, die Ergebnisse werden jedoch erst im Rahmen einer Präsentation des Projekts im Österreichischen Parlament vorgestellt. Diese gemeinsam mit der Parlamentsdirektion für Oktober geplante Veranstaltung wurde aufgrund der Corona-Krise auf Anfang 2021 verschoben. Im Bereich Wahlreform-Advocacy darf sich wahlbeobachtung.org neben der guten Zusammenarbeit mit akademischen Partnern auch über die wiederholte Unterstützung des Zukunftsfonds der Republik Österreich freuen.

Ad4) Forschung und Monitoring von Sozialen Medien in Wahlprozessen

Wahlbeobachtung.org/Election-Watch.EU war 2019 dazu eingeladen, an einer internationalen Arbeitsgruppe zur Entwicklung einer Methodologie für die Beobachtung Sozialer Medien im Wahlprozess mitzuwirken. Daraus entstand ein Kooperationsprojekt zum „Social Media Monitoring“ des online Wahlkamps im Zuge der vorgezogenen Nationalratswahlen 2019 in Österreich, das gemeinsam mit Democracy Reporting International (DRI) (Berlin) und MEMO98 (Bratislava) sowie mit der Vienna Data Science Group (VDSG) / Data4Good (Wien) und dem  Departament of Public Policy Analysis of the Getulio Vargas Foundation (FGV DAPP) (Rio de Janeiro) als technische Partner durchgeführt wurde. Der Bericht dazu wurde im Februar 2020 publiziert und im Rahmen einer größeren Studie (neben Österreich inklusive Kroatien, Polen, Portugal und Rumänien) zu Lessons Learned with Social Media Monitoring rezipiert.

Aufbauend auf der Partnerschaft mit Vienna Data Science Group (VDSG) / Data4Good zum Monitoring Sozialer Medien im Wahlprozess 2019 wurde vom Büro des OSZE Representative of Freedom of the Media ein gemeinsames Projekt genehmigt, welches sich mit Datenzugang auf Sozialen Medien und dem Einfluss von künstlicher Intelligenz (KI) auf die Meinungsfreiheit befasst.  

Ad5) JungwählerInnenbildung und advocacy in Albanien

Bereits Ende 2019 haben die Aktivitäten von wahlbeobachtung.org in Albanien begonnen. Bei einer im Februar 2020 durchgeführten Konferenz im Rahmen des OSZE/ODIHR Projekts zur Unterstützung von Wahlen im Westlichen Balkan wurden zwei Referenten von wahlbeobachtung.org eingeladen, über Erkenntnisse zur Unterstützung von Frauen, Nationalen Minderheiten und Personen mit Behinderungen in Wahlprozessen zu referieren. Im Rahmen des Programms „Education on Europe“ der Robert Bosch Stiftung wurde ein Partnerschaftsabkommen mit dem albanischen Young Professionals Network (YPN) eingegangen, um die Kooperation im Bereich politischer JungwählerInnenbildung fortzusetzen. In einem Workshop für eine junge Generation albanischer WählerInnen sollen Methoden zivilgesellschaftlicher Teilnahme im Wahlprozess vermittelt sowie europäische Werte nahegebracht werden. Der Workshop war für Dezember 2020 geplant, wurde jedoch aufgrund der Covid-19-Bedingungen vor Ort verschoben. Ziel ist es, den Workshop vor den nächsten albanischen Parlamentswahlen durchzuführen, die für den 25. April 2021 festgelegt wurden. Dies ist das erste Mal, dass wahlbeobachtung.org ein Projekt mit Drittmittelfinanzierung außerhalb der EU durchführt.

Das Beitragsbild stammt von einem Artikel der Tiroler Tageszeitung am 13. Dezember 2020 über unsere Aktivitäten 2020.

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